Erklärung zur Abstimmung einer Impfpflicht

Eine viermonatige Debatte um die Einführung einer allgemeinen oder altersbezogenen Impfpflicht ist heute mit den Abstimmungen im Bundestag zu Ende gegangen.

Die Grundlage: Alle Anträge, die in den vergangenen Tagen in verschiedenen Formen zusammengeführt wurden und eine allgemeine oder altersbezogene Impfpflicht befürwortet haben, sahen zu einem bestimmten Zeitpunkt den Nachweis einer Dreifach-Impfung (Grundimmunisierung und Boosterimpfung) vor. Dies wird als Erfüllung der Impfpflicht gesehen. Bei den Positionen mit einer Altersgrenze wurde diese im Debattenverlauf von 50 Jahren auf eine Impfpflicht ab 60 Jahren aufgestuft, was immer noch rund 25 Millionen Menschen von rund 83 Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern in Deutschland betreffen würde.

Jenseits der Notwendigkeit der Debatte um eine Impfplicht finde ich es keinen Glanzpunkt parlamentarischer Arbeit, sich schon über die Reihenfolge der Abstimmung zu zerstreiten. Die CDU/CSU hat hierzu klare Abstimmungsregeln ausgegeben und war auch nicht zu weiteren Gesprächen bereit. Dies ist deutlich kritisiert worden. Bereits bei der Abstimmung über die Antragsberatungsreihenfolge wurde die Haltung des Ampelkoalitionspartners FDP deutlich. Bei der Antragsabstimmung selbst stimmte die CDU/CSU geschlossen dagegen, bei der FDP mit 79 Mitgliedern nahezu alle, nur 5 Abgeordnete dafür. Damit lag jede Mehrheit für eine (nur noch) altersbezogene Impfpflicht in weiter Entfernung.

Zum Ergebnis dieser Abstimmung: 296 Stimmen für Ja, 378 für Nein, 9 Enthaltungen und 53 haben ihre Stimme nicht abgegeben.

Zuerst wurde über den Antrag für eine Impfpflicht ab 60 Jahren abgestimmt. Ich konnte diesem Antrag aufgrund von Bedenken und Zweifeln nicht zustimmen und habe mich hierzu enthalten. Die Nichtzustimmung ist durch die Enthaltung erreicht. Ein Nein hätte sehr schnell als Ablehnung von Impfungen und Zweifel an den anderen Maßnahmen missverstanden werden können.

Warum ich mich enthalten habe: Ich bin kein grundsätzlicher Gegner einer Impfpflicht, sehe aber die Verhältnismäßigkeit in der aktuellen Lage kritisch und habe Zweifel an ihrer ursprünglichen Wirksamkeit.

Meine Entscheidung möchte ich begründen. Ich bin geboostert, befürworte Impfungen und bin nach wie vor der Auffassung, dass die Impfung immer noch einen wesentlichen Beitrag gegen die Pandemiebekämpfung leistet (bei einem gleichzeitig doch milden Verlauf).

Der Zweck einer Impfpflicht ist offenbar nicht mehr die Durchbrechung der Infektionsketten oder die grundsätzliche Verhinderung einer Infektion. Derzeit geht es – so die Begründungen in der Debatte – um die Verhinderung eines schweren Krankheitsverlaufs. Dies reicht aber meines Erachtens nicht als Begründung für eine Impfpflicht aus. So ist es nicht Aufgabe des Gesetzgebers, den Bürgerinnen und Bürgern diese Entscheidung, sich einem schweren Krankheitsverlauf mangels Impfschutz zu stellen, abzunehmen, so lange nicht mittels Impfung der sichere Schutz Dritter darüber mittelbar erreicht wird.

Das entscheidende Argument, durch eine Impfung andere zu schützen – auch im Sinne der Solidarität – entfällt in Ermangelung eines zurzeit verfügbaren Impfstoffes, der wirksam immunisiert.

Der Beweis wird nicht sicher zu erbringen sein. Anerkannte Experten zweifeln zudem an, dass eine Dritt-Impfung – zumindest auf Dauer – einer Infektion mit Corona vorbeugt. Tatsächlich erkranken auch geimpfte Menschen. Zeitgleich wird eine vierte Impfung für bestimmte Gruppen in Deutschland debattiert und damit weit über das Ziel eines Nachweises einer Dreifach-Impfung hinausgegangen. Dies muss in der Debatte benannt werden.

Der Gesetzgeber ist verpflichtet, alles Erforderliche zu regeln, um gerade im Pandemiefall den Schutz besonders vulnerabler Gruppen sicherzustellen. Das Problem bleibt: Bei den vorherrschenden Varianten BA1 und BA2 der Omikron-Variante gelingt dies nicht, und selbst im Infektionsfalle drohen sehr selten schwere Krankheitsverläufe. Damit kommt es zu keiner Überlastung des Gesundheitswesens. Diese drohende Überlastung war jedoch regelmäßig eine Hauptbegründung für zahlreiche, auch weitgehende Corona-Maßnahmen.

Und solange dies so ist, solange kann ein so weitreichender Grundrechtseingriff meiner Meinung nach nicht gerechtfertigt werden.

Darüber hinaus haben wir de facto alle milderen Mittel wie AHA-Regeln und Maskenpflicht abgeschafft und wollen gleichzeitig den weitgehenden Eingriff einer Impfung vornehmen. Das steht in keinem Verhältnis zueinander – zumal zuvor alle milderen Mittel zu nutzen sind.

Zweierlei schließe ich aber nicht aus: Zum einen kann sich die Pandemie wandeln, sodass wir doch nochmal zu anderen Grundrechtseingriffen kommen müssen, die bis hin zum Eingriff in die körperliche Unversehrtheit oder Selbstbestimmung in Form einer Impfpflicht reichen können.

Dennoch war bei der Entscheidung für mich klar: In der aktuellen Lage ist eine allgemeine oder altersbezogene Impfpflicht in der vorgelegten Form für mich nicht vertretbar.

Meine ausführliche Erklärung ist hier nachzulesen.