Ein halbes Jahr nach der Hochwasserkatastrophe: Eine Bilanz

Genau ein halbes Jahr nach der Hochwasserkatastrophe vom 14. Juli 2021 ziehe ich eine gemischte Zwischenbilanz: Sechs Monate nach dem schrecklichen Ereignis wissen wir, dass wir einerseits einen leistungsfähigen Staat haben, der etwa wichtige Teile der Verkehrsinfrastruktur in Rekordzeit wieder aufgebaut hat. Wir haben auch gesehen, wie schnell, professionell und stark die Hilfs- und Rettungsorganisationen sind, wenn es darauf ankommt, und wie groß die praktische Solidarität in der Bevölkerung ist. Andererseits aber mussten wir erkennen, dass die Struktur große systematische Mängel aufweist, die wir schnell beheben müssen. Deshalb plädiere ich schon lange für eine Reform des Bevölkerungsschutzsystems in Deutschland. Im Koalitionsvertrag sind die Weichen dafür gestellt.

In den vergangenen sechs Monaten habe ich mit nahezu allen Rettungs- und Hilfsorganisationen, zahlreichen Initiativen von Spontanhelfern sowie den Verantwortlichen der staatlichen Stellen gesprochen, um mir ein genaues Bild zu machen. Was die Hilfsorganisationen vor Ort geleistet haben, um Menschenleben zu retten, nötigt mir den größten Respekt ab. Es wird oft vergessen, dass die meisten Einsatzkräfte ihre Arbeit ehrenamtlich machen. Das zeigt die große Solidarität in unserer Gesellschaft, die in der Krise Hoffnung spendet.

Sowohl das Hochwasser als auch die Corona-Pandemie haben uns erneut vor Augen geführt, dass unser Bevölkerungsschutz nicht mehr auf der Höhe der Zeit ist. Er braucht endlich eine echte Reform. Im Koalitionsvertrag ist vereinbart, dass wir beispielsweise die Warnstrukturen verbessern und einen „Warn-Mix“ ausbauen, ein fortlaufendes Lagebild über verfügbare Einsatzkräfte und Ressourcen von Bund und Ländern einsetzen und das Ehrenamt durch Freistellungs- und Versicherungsschutzregeln stärken. Darüber hinaus fordere ich, dass der Bund raus aus der Zuschauerrolle tritt und deutlich stärkere Kompetenzen in der Krisenbewältigung bekommt.

Um künftige Krisen besser bewältigen zu können schlage ich den Aufbau eines Bund-Länder-Krisenstabs vor. Denn: Länderübergreifende Krisen bedürfen einer länderübergreifenden Koordination. Das föderale Grundprinzip bliebe dabei weiter gewahrt. Zentral ist auch der Kampf gegen Fake News, denn sie gefährden das Vertrauen in unsere Demokratie – und das Leben von Menschen. Wir wollen Verunsicherung durch Desinformationen vorbeugen und diesen aktiv begegnen. Dazu bedarf es einer klaren und einheitlichen Kommunikation und die Einrichtung eines Kriseninterventionsteams im Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe.