Erklärung zum Gesetzesentwurf zur Verbesserung der Information über einen Schwangerschaftsabbruch

Die Fraktionen CDU, CSU und SPD beschließen einen Kompromiss zur Verbesserung der Information von Schwangeren und der Straffreiheit von Ärztinnen und Ärzten hinsichtlich der Information über die Vornahme von Abtreibungen.

Dieser Kompromiss kam erst nach langwierigen Verhandlungen der Fraktionen und Mitglieder der Bundesregierung zustande. Es ist klar ersichtlich, dass der Kompromiss das maximal erreichbare Ergebnis mit dem Koalitionspartner CDU/CSU darstellt und nicht der weiterhin geltenden Beschlusslage der SPD, so z.B. im Beschluss 052-18 des SPD Parteivorstandes oder anderer Parteigliederungen, die eine vollständige Streichung des Paragrafen 219a vorsieht, entspricht. Der SPD-Parteivorstand hat durch diese Beschlussfassung eine hohe, durch politische Kompromisse mit der Union, kaum herstellbare Erwartungshaltung geweckt.

Mir ist bewusst, dass möglicherweise andere parlamentarische Mehrheiten jenseits der Regierungsmehrheit für diese Position der SPD möglich wären.

Vor dem Hintergrund der gesellschaftlichen Debatten, der konkreten Fälle und Gerichtsverfahren zeigt sich jenseits dessen eines: Wir brauchen eine neue breite, gesellschaftliche Debatte und es bietet sich hiernach auch eine Freigabe der Entscheidung als Gewissensentscheidung an – ohne Koalitionszwänge.

Zur Einordung der heutigen Entscheidung:

Im November 2017 wurde die Ärztin Kristina Hänel aus Gießen zu einer hohen Geldstrafe verurteilt, da sie auf ihrer Website über Schwangerschaftsabbrüche informierte und angab, diese auch durchzuführen. Da die Ärztin ein Honorar für solche Eingriffe erhält, wurde sie nach dem im Paragraf 219a festgelegten Werbeverbots verurteilt. Der Fall liegt zur Revision beim Oberlandesgericht Frankfurt.

Dieser Fall machte deutlich, dass Ärztinnen und Ärzte aufgrund des aktuellen Paragrafen 219a strafrechtliche Konsequenzen befürchten müssen, selbst wenn sie sachlich – nicht werblich – über Schwangerschaftsabbrüche informieren.

Vor diesem Hintergrund hat der SPD Parteivorstand im April 2018 einen Beschluss gefasst, der den vorgelegten Gesetzentwurf der SPD-Bundestagsfraktion zur Streichung des Paragrafen 219a unterstützt. Dafür sollte bis zum Herbst 2018 ein abgestimmter Gesetzentwurf mit der Bundesregierung oder mit der Union erfolgen. Ziel war es, umgehend die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, damit möglichst schnell gesetzliche Änderungen verabschiedet werden.

Seitdem wurde viel über den Paragrafen geschrieben, debattiert und auch protestiert. Auf politischer Ebene wurde über die Stellungsnahmen zahlreicher Verbände als auch in den beiden öffentlichen Anhörungen mit Sachverständigen zum Paragrafen 219a diskutiert.

Nach meinem Eindruck ist der bestehende Paragraf 219a kein Werbeverbot, sondern wirkt vielmehr wie ein Informationsverbot, das zu zunehmender Verunsicherung von Ärztinnen und Ärzten geführt hat.

Insofern müssen uns die Anhörungen zum Gesetzentwurf als auch die Beratungen im Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages nachdenklich stimmen. Sollten die Ziele von mehr Rechtssicherheit, mehr Informationen für insbesondere schwangere Frauen und die Sicherstellung der Straffreiheit von Ärztinnen und Ärzten nicht erreicht werden, muss der Gesetzgeber erneut handeln.

Die Debatte zeigt eines deutlich: Auch bereits erreichte gesellschaftliche Konsense bedeuten keineswegs, dass gefundene Positionen jahrzehntelang fortbestehen und keiner neuen Vereinbarungen bedürfen.

Wir dürfen auch nicht parlamentarische Entscheidungen per se gleichsetzen mit einem gesellschaftlichen Konsens oder annehmen, dass diese parlamentarischen Entscheidungen einen solchen ersetzen oder erzwingen können.

Denn tatsächlich sollten kluge und möglichst breite parlamentarische Mehrheiten in grundsätzlichen Fragen unserer Gesellschaft oder auch ethischer Fragen am Ende, nicht am Beginn oder mitten in einer gesellschaftlichen Debatte stehen.

Es ist an der Zeit, eine neue, breite Diskussion in der Gesellschaft zu führen und gerade die Frage der schwierigen Erwägungen zwischen dem Schutz des werdenden Lebens und dem Selbstbestimmungsrecht der schwangeren Frau neu zu vereinbaren.

Die durch den Paragrafen 219a ausgelöste Debatte dürfen wir nicht den Rechten und Konservativen mit ihren antiquierten Ansichten überlassen. Die Debatte endet nicht mit der heutigen Entscheidung, sondern fängt gerade erst an. Wir müssen intensiv über die aktuelle Gesetzgebung und ihre Zeitmäßigkeit diskutieren und die Paragrafen 218 a-c, 219 und 219 b auf den Prüfstand stellen, als auch die Neufassungen des Paragrafen 219a in seiner Wirkung betrachten.

Um es nicht missverstanden zu wissen: Der Gesetzgeber hat eine kluge Regelung im Rahmen eines Kompromisses gefunden – doch sie bedarf heute der Neujustierung und Klarstellung. Aber auf Basis eines neuen, gesellschaftlichen Konsenses.

Ich teile die Kritik und Hinweise der Experten und Verbände und folge jedoch der Mehrheitsmeinung der Sachverständigen und meiner zuständigen Fachkolleginnen und -kollegen. Ich sehe demnach mit dem vorliegenden Entwurf eine konkrete Verbesserung im Vergleich zur aktuellen Rechtslage. Aus diesen Gründen stimme ich dem Kompromiss in Form des Gesetzentwurfes von CDU, CSU und SPD zu.