Seit zwei Jahren führen wir die Debatte über den Familiennachzug von Bürgerkriegsflüchtlingen mit subsidiärem Schutz. Wir haben damals im sogenannten „Asylpaket II“ unter anderen Eindrücken der befristeten Aussetzung des Familiennachzuges zugestimmt. Der Innenminister Thomas De Maizière hat der SPD in der Fraktionssitzung zugesichert, dass dies nur einen sehr geringen Teil der Schutzberechtigten in Deutschland betreffen würde.
Mir ist es wichtig, dass Bürgerkriegsflüchtlinge wieder die Möglichkeit eines Familiennachzuges erhalten. Falls es zu einer Koalition kommt, schaffen wir mit dem vereinbarten Kontingent von 1.000 Personen pro Monat zumindest einen Wiedereinstieg in den Familiennachzug, den es zwei Jahre lang überhaupt nicht gegeben hat. Außerdem ist klargestellt, dass darüber hinaus Härtefälle nach den geltenden Regeln des Aufenthaltsgesetzes Berücksichtigung finden. Über die bestehende Härtefallregelung sind im Jahr 2017 weniger als 100 Visa ausgestellt worden. Härtefälle sind nach der Definition singuläre Einzelschicksale, die sich deutlich von anderen Fällen abheben. In der Vergangenheit ist die Härtefallregelung restriktiv angewendet worden. Aber ich glaube, dass es gute Gründe dafür gibt, dass sie künftig mehr zugunsten von Menschen ausgestaltet werden kann:
- Das Berliner Verwaltungsgericht hat die Rechtsprechung bereits korrigiert und auf die besondere Bedeutung des Kindeswohls verwiesen.
- Wenn wir zu einem bescheidenen Kontingent von 1.000 Nachzügen kommen, wird es in deutlich mehr Härtefallen zu Rechtsverfahren kommen.
- Auch Paragraf 23 des Aufenthaltsgesetzes bleibt unberührt. Er erlaubt den Bundesländern eigene humanitäre Initiativen.
- Die konkrete Ausgestaltung des zukünftigen Gesetzes und der Härtefallregelung bleibt die Aufgabe der nächsten Wochen. Ich finde, es kommt vor allem auf das Kindeswohl an; dazu verpflichtet uns auch die UN-Kinderrechtskonvention.
- Auch das Bundesverfassungsgericht hat schon geurteilt, dass Familien nur eine gewisse Zeit der Trennung zugemutet werden darf. Das ergibt sich aus dem Grundrechtskatalog des Grundgesetzes, der sich keineswegs auf deutsche Familien beschränkt, sondern auch auf die Menschen zutrifft, die in Deutschland leben und Familienangehörige in Kriegsgebieten haben.
Natürlich hätte sich die SPD weitergehende Regelungen gerade zugunsten von Kindern gewünscht als sie insbesondere mit der CSU möglich sind. Das Kontingent von 1.000 Menschen, die monatlich im Rahmen des Familiennachzuges nach Deutschland zu ihren Angehörigen kommen können, ist keine CDU/CSU-Position – diese haben wir der Union abgerungen. Wenn es nach den Parteien gehen würde, die das „christlich“ in ihrem Namen tragen, würde es einen Familiennachzug von 0 Personen pro Monat geben. Vielleicht sollte sich die Union überlegen, ob das „christlich“ in ihrem Namen noch angemessen ist. Denn die Werte einer einstigen Familienpartei werden über Bord geschmissen.
Ich stimme heute dem vorliegenden Antrag von CDU/CSU zu, weil ich Sorge habe, dass ansonsten überhaupt keine Lösung für die Betroffenen zustande kommt. Bei meiner Entscheidung bin ich nicht nur meinem Gewissen verpflichtet, sondern vor allem denjenigen, die die Folgen von politischen Entscheidungen zu tragen haben. Ich entscheide mich in einer solchen verfahrenen Situation dafür, das Mögliche für den Familiennachzug herauszuholen. Für die mindestens 1.000 Menschen im Monat ist wichtig, dass wir für sie einen Kompromiss eingehen, der ihr Leben verbessert. Denn die Aussetzung des Familiennachzuges wäre sehr wahrscheinlich nicht ausgelaufen, weil die Union und FDP am Donnerstag eine dauerhafte Aussetzung beantragt hätten, dem die AfD einfach stillschweigend zugestimmt hätte. Das würde bedeuten, dass es keinerlei Familiennachzug gäbe.
Ich halte es mit Bruno Kreisky, der sagte: „Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass gewisse Umstände so und nicht anders sind, aber das bedeutet noch lange nicht, dass wir bereit sein müssen, sie als unumstößliche Tatsachen hinzunehmen. Ich bin in der Politik immer für eine positive Änderung der Verhältnisse eingetreten […].“ Die Fraktionen im Bundestag beschließen nun zunächst eine Übergangsregelung, die den Nachzug weiter aussetzt, da bislang kein abschließendes Ergebnis der Koalitionsverhandlungen vorliegt. Das war nicht unser Wunsch, aber diese Regelung ist klar und gegen den erklärten Willen der CSU bis zum 31.7. befristet und wird dann durch eine Neuregelung des Familiennachzugs ersetzt. Auch in dieser Übergangszeit gilt die Härtefallklausel für dringende humanitäre Fälle. Wie die Neuregelung ab 1. August konkret aussieht, ist jetzt Gegenstand der laufenden Koalitionsverhandlungen und weiterer Gespräche.